Lea Rosh

deutsche Journalistin und Publizistin; SPD

Lea – Edith Ursula Renate Rosh wurde am 1. Okt. 1936 als drittes von vier Kindern in Berlin geboren. Ihr Vater, ein kaufmännischer Angestellter, war als Soldat in Polen und galt nach dem Krieg als vermisst. Die Mutter Priska Rosh, geb. Wojtech, stammte aus einer angesehenen Grazer Familie, ihr jüdischer Vater Max Garrison war Hofopernsänger. R. wuchs in Berlin und zeitweise wegen der kriegsbedingten Evakuierungen zuletzt in Genthin auf. Protestantisch erzogen, trat R. Später („wg. Auschwitz”, „keine Hilfe der Kirchen”) aus der Kirche aus. Mit 18 Jahren benannte sie sich in Lea um, da sie den Namen Edith „schrecklich deutsch” fand. Gegen Behauptungen, R. habe ihren Familiennamen hebräisiert, ging sie erfolgreich gerichtlich vor.

Nach der Schule studierte sie 1955-1961 an der Berliner Freien Universität (FU) Geschichte, Soziologie und Publizistik. Daneben absolvierte sie diverse Volontariate in Verlagen und bei Zeitungen. R. nahm zudem auch privaten Schauspielunterricht bei Hilde Körber, die ihr auch schauspielerisches Talent bescheinigte, und war sich nach eigenen Aussagen lange nicht sicher, ob sie Journalistin oder Schauspielerin werden wollte.

Hörfunk- und Fernsehjournalistin: Ihre journalistische Laufbahn begann R. 1961 als Hörfunk-Reporterin beim Berliner RIAS, erste Fernseherfahrungen sammelte sie als Mode-Moderatorin beim SFB. Anfang der 1970er Jahre arbeitete sie in Hannover als freie Mitarbeiterin für das NDR-Messefernsehen, bevor sie ab 1973 bei NDR Hamburg TV-Sendungen zu kulturellen und Frauenthemen gestaltete, u.a das „Bücher-Journal” und zusammen mit Luc Jochimsen das in der Redaktion von Peter Merseburger entwickelte Magazin „Frauenforum”. 1979 wechselte R. zum Berliner ZDF-Studio, wo sie – als erste Frau – neben Hanns Werner Schwarze „Kennzeichen D” moderierte.

„Gegen das Vergessen”: Mit einem Bericht über den Prozess um die Wiedergründung der NSDAP begann für die Journalistin eine Phase intensiver, systematischer Aufarbeitung des Nationalsozialismus, in der sie wie kaum jemand sonst Partei ergriff für verfolgte Minderheiten, Juden und Sinti und Roma und unbeirrt in Dokumentationen, Filmen und Talk-Shows gegen das schnelle Vergessen ankämpfte. „Ihr Markenzeichen ist der moralisch erhobene Zeigefinger”, schrieb später der Schriftsteller Rafael Seligmann in einem Porträt über R. (WELT, 23.6.1999).

Ab 1983 als freie Publizistin tätig, erhielt R. 1985 für ihre SFB-Dokumentation „Vernichtung durch Arbeit” den Adolf-Grimme-Preis, kurz darauf auch die Carlvon-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Film „Das lustige Zigeunerleben” wurde mit dem Jugend-Medienpreis „Das rote Tuch” der Berliner SPD ausgezeichnet und stand auf der Juroren-Liste des Prix Italia.

Sich weniger als „Talkmasterin” denn als „Diskussionsleiterin” verstehend, wurde sie 1982 Gastgeberin der monatlichen Diskussionsrunde „III nach Neun” von Radio Bremen. Mitunter wurde ihr ein oberlehrerhafter Moderationsstil vorgehalten. Kabarettisten wie Harald Schmidt verwiesen auf sie, wenn etwas „nach Betroffenheit riecht” (WELT, 30.10.1990). Ab Febr. 1988 moderierte R. in Berlin die TV-Talk-Show „Freitagnacht”, in der schon vor der Wende Kritiker des SEDRegimes, aber auch hohe DDR-Funktionäre zu Wort kamen, was der Sendung bald Rekordbeteiligungen garantierte.

Im April 1990 wurde R.s gemeinsam mit dem Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel produzierte SFB-Dokumentation „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – Der Mord an den Juden Europas”, deren Titel der „Todesfuge” von Paul Celan entnommen wurde, im Fernsehen gezeigt. DIE ZEIT (27.4.1990) bescheinigte der aufsehenerregenden, bis dahin größten Produktion des deutschen Fernsehens zum Holocaust einen „hohen pädagogischen Wert” und lobte, R.s Einfühlsamkeit seien Zeugnisse zu verdanken, „wie sie in dieser Dichte und Intensität ihresgleichen suchen”.

Direktorin des Norddeutschen Rundfunks (NDR): Im Febr. 1991 übernahm R. die Leitung des NDR-Landesfunkhauses in Hannover. Als erste Frau in dieser Funktion weckte sie großen Unmut mit der Entscheidung, die von ihr als „faschistoid” empfundene inoffizielle Niedersachsen-Hymne („Wo fielen die rö- mischen Schergen? Wo versank die welsche Brut? In Niedersachsens Bergen, an Niedersachsens Wut”) nur noch ohne Text ausstrahlen zu lassen. Zu ihren Erfolgen in Hannover, wo sie die Sendungen „Sonntags zu Gast bei Lea Rosh”, „Profile” sowie live den „Talk vor Mitternacht” (bis Okt. 1999) moderierte, zählte R. die Besetzung verantwortlicher Redaktionspositionen mit Frauen, die Entwicklung des Hörfunkprogramms zur Nummer eins in Norddeutschland und die Verdreifachung der Einschaltquote des TV-Landesprogramms für Niedersachsen.

Um sich wieder eigenen journalistischen Aufgaben zuwenden zu können, entschied sich R. gegen eine Verlängerung ihres 1997 auslaufenden Vertrags als Rundfunkdirektorin. Auch Angebote des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) für ein Ministeramt lehnte sie ab. Bei der Verabschiedung wurde R. als eine „streitbare Journalistin, die eine Botschaft hat, … sich einmischt und dabei in Kauf nimmt, Anstoß zu erregen”, gewürdigt (Hbg. Abl., 31.1.1997). R ging zunächst als Journalistin zurück nach Hamburg, moderierte u.a. die politische Talkshow „Talk vor Mitternacht” und gründete 1999 in Berlin die eigene Firma „Lea Rosh Kommunikation & Medien GmbH”. Sie entwickelte insbesondere für jugendliche Zielgruppen Veranstaltungsformate gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Mit dem „Salon Lea Rosh” etablierte sie zudem eine monatlich stattfindende Gesprächsreihe zu kontrovers diskutierten Themen.

Initiatorin des Holocaust-Mahnmals in Berlin: 1988 hatte R. in Berlin eine „Initiative engagierter Bürger” (PERSPEKTIVE BERLIN) ins Leben gerufen, die – unterstützt von namhaften Persönlichkeiten – einen „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V.” gründete und sich fort- an für die Errichtung eines „riesigen, unübersehbaren Mahnmals” (R.) einsetzte. Damit griff R. eine Idee Eberhard Jäckels auf, der sie bei der Realisierung auch unterstützte.

Auf R.s Betreiben hin wurde zudem 1994 ein Mahnmal in Hannover enthüllt: ein von Michelangelo Pistoletto entworfenes Denkmal mit den eingemeißelten ca. 2.000 Namen deportierter und ermordeter Juden der Stadt. .Das durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem inspirierte Projekt für Berlin, an dem sich neben Förderkreis und Land Berlin auch der Bund beteiligte und ein 20.000 Quadratmeter großes Areal zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz zur Verfügung stellte, wurde Gegenstand eines jahrelangen, zum Teil erbitterten öffentlichen Streites. Einen Höhepunkt fand dieser, nachdem der damalige Kanzler Helmut Kohl (CDU) durch sein Veto gegen den preisgekrönten Entwurf einer fußballfeldgroßen Namensplatte mit 4,2 Mio. eingravierten Opfernamen eine auch von R. vehement geführte neue Kontroverse auslöste.

Erst unter der von Kanzler Gerhard Schröder geführten Bundesregierung aus SPD und GRÜNEN konnte auch gegen den Widerstand von Schröder und dem von ihm ernannten „Kulturpolitischen Berater” Michael Naumann („Wir bauen das Schloss, nicht aber das Denkmal”) eine Entscheidung getroffen werden. Die Angelegenheit war auf Initiative von Elke Leonhard, der Vorsitzenden des Kulturausschusses, an den Bundestag übergeben worden, der sich 1999 mehrheitlich (314 gegen 209 Stimmen) für den verkleinerten Stelenfeld-Entwurf des amerikanischen Künstlers Richard Serra und des Architekten Peter Eisenman aussprach. Ein „Ort der Information” über den Mord an den Juden sollte integriert werden.

R. protestierte gegen ein von Michael Naumann geplantes Mehrzweckhaus mit „Denkmals-Appendix” (FAZ, 19.1.1999). Sie sah das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas” gefährdet und zu Gunsten des Museums von dem Gelände verdrängt und zog sich deshalb aus der „Stiftung Deutsches Holocaust-Museum” zurück.

Die Kosten für das Denkmal-Projekt wurden auf 25 Mio. DM veranschlagt. Ein Werbeplakat des Fördervereins, auf dem groß stand: „Den Holocaust hat es nie gegeben”, und darunter, kleingedruckt: „Es gibt immer noch viele, die das behaupten, in 20 Jahren könnten es noch mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas”, sorgte im Juli 2001 für massive Kritik und Strafanzeigen. R., die wegen ihres Engagements scharf angegriffen wurde, begründete die Schockwerbung mit dem Argument: „So ein einzigartiges Ereignis wie der Holocaust muss einzigartig vermittelt werden.” Im Aug. gab sie jedoch das Ende der Plakataktion bekannt und bedauerte, dass der Spendenaufruf Anlass zu Missverständnissen gegeben habe. Allerdings hatte es einige tausend Euro an Spenden für das Denkmal eingebracht.

2003 entbrannte ein Streit über die Beteiligung der Firma Degussa am Holocaust-Mahnmal, an dem seit Okt. 2001 gebaut wurde. Zum Schutz der 2.700 Betonstelen – vor allem gegen Farbschmierereien – sollte ein Speziallack von Degussa verwendet werden. Weil deren Tochterfirma Degesch in der NS-Zeit das Giftgas „Zyklon B” an die Vernichtungslager geliefert und Degussa das von den Juden geraubte Gold eingeschmolzen hatte, protestierten Initiatoren des Denkmals, an ihrer Spitze R. und Sascha Brenner, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Andere, darunter der Architekt Peter Eisenman, bemühten sich um Vermittlung. Schließlich entschied das Stiftungskuratorium unter dem Vorsitz von Wolfgang Thierse, dass das Mahnmal weitergebaut werden solle – unter Verwendung des Degussa-Baustoffes.

Mahnmal als Lebenswerk: Am 10. Mai 2005 wurde mit einem Festakt in Berlin das schließlich 24,7 Mio. Euro teure „Denkmal für die ermordeten Juden Europas” eröffnet. Bundestagspräsident Thierse bezeichnet es in seiner Rede als nationales Symbol für die „Unfassbarkeit des Verbrechens” und betonte, dass das Denkmal nicht als „steinerner Schlusspunkt” hinter der Debatte um den Nationalsozialismus gelten solle. R. sorgte in ihrer Ansprache für Aufsehen, als sie den Backenzahn eines unbekannten jüdischen Holocaustopfers aus dem Vernichtungslager Belzec präsentierte. Sie kündigte an, den Zahn in einer der Stelen zu versenken. Nach empörten Reaktionen nahm sie von dem Vorhaben Abstand und brachte den Zahn, gemeinsam mit Sascha Brenner u.a., nach Belzec zurück.

R., die das Mahnmal später als ihr „Lebenswerk” bezeichnete, sah sich vielfach von ihren Gegnern u.a. als „Gedenkdomina”, „Führende Kraft der Bewältigungsbranche” oder „Mutter aller Mahnmäler” kritisiert und verunglimpft (vgl. WELT, 30.9.2006). Anlass zur Kritik gab auch ihr Stil und ihre kontroverse Art. Doch selbst von Kritikern erfuhr sie große Anerkennung für ihre Beharrlichkeit, mit der sie das Ziel einer zentralen Gedenkstätte verfolgt hatte: „Diese Frau ist kämpferisch bis zur Herrschsüchtigkeit, leidenschaftlich bis zum Fanatismus, eloquent bis zur Einschüchterung… Und doch: In einer Welt voller Jasager und stromlinienförmiger Mitschwimmer sind die Rosh’sche Hingabe und dieser kompromisslose Kampfgeist auch bewundernswert” (taz, 18.2.2004).

Auch nach seiner Fertigstellung galt R.s Engagement dem Mahnmal. Als stellv. Vorsitzende des Kuratoriums der Gedenkstätte führt sie Besuchergruppen durch die Gedenkstätte und nimmt an Diskussionsrunden teil. Sie kümmert sich um die Finanzierung der audiovisuellen Sicht- und Hörbarmachung der Todesgeschichten der Opfer im „Raum der Namen” im „Ort der Information” der Gedenkstätte. Als streitbarer Geist beteiligt sie sich auch weiterhin an gesellschaftlichen Debatten. So forderte sie im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 eine Verhüllung der Figuren, die der NS-Bildhauer Arno Breker für das Berliner Olympiastadion von 1936 angefertigt hatte, und eine umfassende Aufklärung über deren Geschichte. 2016 initiierte sie vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise zusammen mit André Schmitz einen offenen Brief und Aufruf an Bundeskanzlerin Angela Merkel, der von zahlreichen prominenten Unterstützern unterzeichnet wurde. Unter dem Motto „Wir schaffen das” brachten die Unterzeichner ihre Unterstützung für Merkels Flüchtlingspolitik zum Ausdruck (WELT, 20.2.2016).

Familie/Persönliches: R. war seit 1970 mit dem 2008 verstorbenen Architekten Jakob Schulze-Rohr verheiratet. Sie spielte gern Klavier, interessiert sich für Mode und moderne Malerei, hört gern und viel Musik und hält sich oft in Italien und Israel, ihren Lieblingsländern, auf.

Filme u. a.: „Ein Naziprozess” (80; ZDF); „Tat und Täter – Die Amnestierung der NS-Gewaltverbrecher” (82; ZDF); „Vernichtung durch Arbeit – KZ-Häftlinge für die Deutsche Industrie” (84; SFB); „Das lustige Zigeunerleben – Sinti und Roma in der BR” (85; SFB); „Und dann haben wir uns verabschiedet – Buttenhausen, ein Dorf 1933-1943” (85; SFB); „Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm” (86; SFB); „Die Rettung – Wie die bulgarischen Juden überlebten” (88; SFB); „Oradour” (88; SWF, m. G. Schwarberg, auch als Buch); „Rolf Liebermann – Der lange Abschied” (88; ZDF); „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – Der Mord an den Juden Europas” (90; SFB, 4-teilige Dok.; m. E. Jäckel, auch als Buch), „Der Umzug – Von Bonn nach Berlin” (91).

Weitere Veröffentlichungen u. a.: „Die Juden, das sind doch die anderen. Der Streit um ein deutsches Denkmal” (99; mit Beiträgen auch anderer Autoren), „Ein deutsches Denkmal: Der Streit um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas” (99; Mitautorin), „David Salz. Die Geschichte des Elektrikers 107 939. Eine szenische Collage” (m. Katharina Schlender u. Sascha Jakob, 06, Uraufführung am Hans-Otto-Theater Potsdam), „Staats-Sicherheiten” (m. Renate Kreibich-Fischer, 08, Uraufführung ebendort), „Vom Widerstehen” (m. Renate Kreibich-Fischer, 09, Uraufführung ebendort), „Mit Tötungsdelikten ist zu rechnen” (m. Renate Kreibich-Fischer, 2013, Uraufführung ebendort).

Claus Leggewie/Erik Meyer: „,Ein Ort, an den man gerne geht.’ Das HolocaustMahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989” (05).

Auszeichnungen u. a.: Adolf-Grimme-Preis (83, 85); Carl-von-Ossietzky-Medaille (85); Geschwister-Scholl-Preis (90, zus. mit Eberhard Jäckel); Schiller-Preis der Stadt Mannheim (91); Preis der Heinz-Galinski-Stiftung (91), BILD-Kulturpreis (für den Verein Memoriam, 95), Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (05).

1968 trat R. „wegen Willy Brandt und seiner Ostpolitik” in die SPD ein.

Weitere Mitgliedschaften/Ämter: Vorsitzende des Förderkreises „Denkmals für die ermordeten Juden Europas e.V.” (ab 1995), stellv. Vorsitzende des Kuratoriums der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas” (ab 1999), Vors. Förderkreis des Hans-Otto-Theaters Potsdam, Mitglied Freundeskreis Deutsches Theater, Mitglied Freunde der Schaubühne, Mitglied Kunstverein KunstHaus Potsdam, Mitglied „Freunde des Grünen Gewölbes e.V.”, Mitglied „Freunde der Berliner Philharmoniker e.V.,” Mitglied „Kaiser Friedrich Museumsverein”, Mitglied (I)NTACT, Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen e.V. (hr)

1951 Abitur amaltsprachlichen Kant-Gymnasium Berlin- Spandau (Latein, Griechisch, Englisch)

6 Monate Maurerpraktikum in Spandau und Berlin

Ab 1952 Studium der Architektur + Stadtplanung sowie geisteswissenschaftlicherFächer (studium generale) an der Technischen Universität Berlin. Ab Vordiplom neben dem Studium Assistent am Lehrstuhl Professor Bressler (Entwurf, Baukonstruktion)

1966-68 Studium Stadtplanung und Stadtsoziologie am Town Planning Department der London University (DAAD- postgraduate- Stipendiat)

Abschluss: Diplom-Ingenieur Architekt und Stadtplaner

Mitglied der Architektenkammer Berlin, seit 1968 Mitglied desBDA (Bund Deutscher Architekten), bis 2004 im AIV (Architekten-und Ingenieur-Verein)

Berufstätigkeit seit 1961 im Inland und 12 Jahre im Ausland (Schweiz, Schweden, Finnland, Polen, England, Ost-Afrika)

1970-73 im Planungsstab des Senats-Baudirektors beim Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin tätig

1974-2000 eigenes Planungsbüro mit 3 Partnern in Berlin

über 60 realisierte Bau-, Stadtplanungs- und Bebauungsplan-Projekte
diverse Wettbewerbsauszeichnungen

Teilnahme an Wettbewerben (Ground Zero / New York, z.Zt. Trostenetz /Minsk, Topographie des Terrors / Berlin)

1981-84 Senior Lecturer für Bau- und Planungswesen am ARDHI-Instituteder University of Daressalaam / Tanzania / Ost-
Afrika sowie Entwicklungshilfe-Aufgabender GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit)

Seit Mitte der 1980-er Jahre Gesellschafter und zeitweilig Mitarbeiterund Geschäftsführer im IZT (Institut für Zukunftsstudienund Technologiebewertung) Berlin

1988-90: Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeitim BDA

Mitte 1990-er Jahre: Vorstandsmitglied in der Internationalen Liga für Menschenrechte

1988: Gründungs- und seither Vorstandsmitglied im „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas“in Berlin e.V. (sog. Holocaustdenkmal)

Seit 1999: geschäftsführender Gesellschafter der „LEAROSH Kommunikation +Medien GmbH“ Berlin

Seit 2000: Gesellschafter in „SJS HAUS PLAN GmbH“ Berlin (Baubetreuungen und Altbaumodernisierungen)

Seit 2004: Mitglied „Bürgerinitiative gegen den Bankenskandal“

Seit 2005: Mitglied im „Freundeskreis Hans-Otto-Theater“,Potsdam

Nachruf auf Jakob Schulze-Rohr
Der Architekt und Stadtplaner Jakob Schulze-Rohr ist am 17. November 2008 im Alter von 78 Jahren in Berlin gestorben.

„Berlin wird ihm ein ehrendes Gedächtnis bewahren“, schreibt der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, „für seine Verdienste … um die Entstehung des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ und „dass er mit seinem jahrzehntelangen Engagement … wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir in der Mitte der deutschen Hauptstadt einen Ort der Erinnerung haben, an dem wir uns mit dem Menschheitsverbrechen der Shoah auseinandersetzen …, damit Verbrechen wie die der NS-Zeit nie wieder möglich werden“.

Und der Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert erinnert daran, dass sich „Jakob Schulze-Rohr als Architekt in den unterschiedlichsten Funktionen nicht nur in Deutschland einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat. Dass er zudem unter anderem auch Vorstandsmitglied im IZT (Institut für Zukunftsstudien) und der „Internationalen Liga für Menschenrechte“ war, zeigt, wie sehr …er … sich auch außerhalb der Architektur für das Gemeinwohl und seine Mitmenschen engagierte….Untrennbar mit dem Namen von Jakob Schulze-Rohr verbunden bleiben wird die Entstehung des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“, für das er sich als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Förderkreises ebenso beharrlich wie erfolgreich eingesetzt hat“.

Jakob Schulze-Rohr hat sein Architekturstudium in Berlin an der Technischen Universität absolviert. Er hat in Finnland im Büro des berühmten Alvar Aalto und in London im Stadtplanungsbüro von Buchanan gearbeitet, bevor er von Berliner Architektenkollegen nach Berlin zurückgerufen wurde. Einem Angebot des Berliner Senators für Bau- und Wohnungswesen ist er nicht gefolgt. Er zog es stattdessen vor, als freiberuflicher Architekt tätig zu sein. Von 1974 bis 2000 betrieb er mit 3 Partnern in Berlin ein eigenes Planungsbüro, in dem über 60 Bau-, Stadtplanungs- und Bebauungsplan-Projekte realisiert wurden. Er erhielt diverse Wettbewerbsauszeichnungen. So gehörte er zu den „lobend“ erwähnten Architektenteilnehmern des Wettbewerbs um das New Yorker Ground Zero. Zu seinen herausragenden Arbeiten in Berlin gehört u.a. das Hotel Steigenberger (1. Preis des Wettbewerbs), Stadtvillen in der Teplitzer Strasse (Berlin Grunewald) und in Kladow, Wohnungsbauten u.a. in Spandau und vielen anderen Berliner Bezirken.

Sein Engagement für das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, das ohne ihn nicht hätte gebaut werden können, war herausragend. Das wichtigste deutsche Denkmal verdankt auch ihm seine Existenz. Er engagierte sich außerdem für die Erinnerungsstätte für die deportierten und ermordeten Juden Berlins am Bahnhof Grunewald und er plante jahrelang ein Denkmal für die Berliner Juden, das die 55.696 Namen und Geburts- und Todesdaten hätte enthalten sollen. Bei dem Wettbewerb für ein Denkmal für die jüdischen Opfer in Weißrussland (Trostenetz/ Minsk), bei dem auch hunderttausender Partisanen, Zivilisten, sowjetischer Kriegsgefangenen gedacht werden sollte, gewann er den 1. Preis. Es war ihm nicht vergönnt, die Verwirklichung seines Entwurfs zu erleben.
Von 1988-90 war er Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit im BDA (Bund Deutscher Architekten).

Sein politisches Engagement war stark ausgeprägt. So gehörte er nicht nur zur Internationalen Liga für Menschenrechte, zu den Gründungs-Mitgliedern des IZT (Institut für Zukunftsstudien), er war Mitglied der „Grünen“ in Berlin, er gründete mit Lea Rosh ein Kommunikations- und Medien-Büro, in dem er inhaltliche Konzepte zur Bekämpfung von „Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“ sowie Fortbildungsveranstaltungen zu „Antisemitismus in Schule und Gesellschaft“ für verschiedene Landeszentralen für politische Bildung erarbeitete.
Seine Führungen vor allem für junge Besucher im „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache, sind für alle unvergessen.

In den vielen Kondolenzschreiben wird Jakob als ein geistreicher, kluger, empfindsamer Mensch beschrieben, von leiser Präsenz, unaufdringlicher Intelligenz, gradlinig, unbestechlich, eigensinnig, mit einem manchmal sarkastischem Humor.
„Seine warmherzige Ausstrahlung, sein teilnehmender und heiterer Umgang besonders mit Kindern brachte ihm heimliche Anhänger ein, die es auch über räumliche und zeitliche Distanz blieben“, schreiben Freunde über ihn. Und:
„Immer geht eine einmalige, unverwechselbare Persönlichkeit…Trost ist, dass Jakob viel hinterlässt, das in guten Erinnerungen fortlebt.“

Jakob ist ganz unersetzlich.